19.05.2025

Frauen als Täterinnen im Konzentrationslager-Komplex Mauthausen

Die Baumgart-Stiftung für Zeitgeschichte fördert das Dissertationsprojekt von Silke Umdasch an der Universität Wien.

Aktenstapel

„Die Rolle von Frauen im ‚Dritten Reich‘ wurde lange Zeit auf die von unbeteiligten Zeitgenossinnen oder gar von Opfern des Nationalsozialismus reduziert“, schreibt Historikerin Kathrin Kompisch.  Die Täter:innenforschung beschäftigt(e) sich vorrangig mit männlichen Tätern, die Öffentlichkeit konzentrierte sich auf männliche Täterschaft. Frauen selbst positionierten sich in der Nachkriegszeit im unpolitischen Spektrum und wurden oft in eine Unschuldsposition gedrängt. Ausgewählte Frauen, die man ob ihrer Präsenz im öffentlichen Kontext nicht zu ignorieren vermochte, wurden „individuell skandalisiert, mystifiziert und pathologisiert“, als Ausnahmebeispiele, als „von Natur aus Böse“ einem gängigen Frauenbild gegenübergestellt. Weibliches Verhalten wird also auf geschlechterspezifische Charaktereigenschaften bezogen, sodass eine weitere Auseinandersetzung mit den Motivationsgründen und Handlungsspielräume weiblicher Täterinnen obsolet erscheint – wodurch Täterinnen von ihrer Verantwortung freigesprochen werden.

 

KZ-Aufseherinnen und weibliche Funktionshäftlinge gab es nachweislich in allen NS-Konzentrationslagern, in denen auch Frauen interniert waren. Weibliches Bewachungspersonal verpflichtete sich der Waffen-SS als Hilfskräfte, doch waren diese Frauen keine Mitglieder der SS, sondern Teil des weiblichen SS-Gefolges. Die Bewachung der Häftlinge erforderte „keine besonderen Kenntnisse“ , so wurde auch die Ausbildung im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück erst 1942 vereinheitlicht und die Ausbildungszeit stetig minimiert.  Die Position einer Frau, angestellt im Konzentrationslager, konnte vielseitig sein: Oberaufseherinnen kontrollierte Aufseherinnen, eine Oberaufseherin-Stellvertreterin leitete das Häftlingslager. Rapportführerinnen sorgten für Ordnung und Disziplin, führten gegen Inhaftierte gemeldete Strafen aus und waren verantwortlich für den schriftlichen Vermerk des Häftlingsbestands. Arbeitsdienstführerinnen waren für die Errechnung der Arbeitsproduktivität zuständig. Zur Unterstützung wurden Hundeführerinnen eingesetzt, die Wachhunde mit sich führten, in den Häftlingsunterkünften arbeiteten Blockführerinnen, die auch den Schutzhaftlagereingang zu bewachen hatten.  


Die Historikerin Silke Umdasch, Absolventin der Universität Salzburg und Preisträgerin des Mauthausen-Memorial-Forschungspreises untersucht in ihrer Dissertation Täterinnenschaft in ihren verschiedenen Facetten im ehemaligen Stamm- und Zwillingslager sowie den Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen. Die Untersuchung soll anhand von lagerzeitlichen Namensverzeichnissen, Aufnahmelisten und beispielsweise Dienstausweisen erfolgen, die uns Auskunft über im Lager tätige Frauen gaben. Überlebenden- und Zeitzeug:innenberichte erzählen von Täterinnen und erwähnen auch jene, die als „externe“ dieser Kategorie zuzuordnen sind. Fotografien und selbst gestaltete Fotoalben von Aufseherinnen spiegeln den Lageralltag wie auch deren eigene Wahrnehmung wider. Die Frage der Motivation sowie Lebenshintergründe werden anhand von Schulzeugnissen und Aus-bildungsvermerken untermauert. Um die Wahrnehmung von Frauen als Täterinnen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung untersuchen zu können und die Behauptung, Frauen seien lediglich „Rädchen im Getriebe“ gewesen zu widerlegen, können neben Aussagen auch Gerichtsprotokolle herangezogen werden.

 

Ziel des Forschungsvorhabens ist es nicht, nach Schuld zu suchen. Täterschaft soll weitergedacht werden als bisher, indem Frauen als Täterinnen in den Mittelpunkt rücken. Eine Forschungslücke in der wissenschaftlichen Aufarbeitung des ehemaligen Konzentrationslagerkomplexes Mauthausen ist offenbar und soll mittels detaillierter Recherche, einer Diversität an Quellen und einem teilweise biographischen Ansatz geschlossen werden. Im Fokus soll die subjektive Verantwortung von Frauen stehen, Handlungen wie Handlungsmöglichkeiten werden aufgezeigt und durch Beispiele untermauert.

„Ohne die Wahrnehmung und historische Verortung weiblicher Täterschaft gibt es keine Anerkennung der Opfer.“

Kathrin Kompisch

Die Dissertation wird an der Universität Wien verfasst und durch Univ.-Doz. Dr. Alexander Pinwinkler betreut. Die Baumgart-Stiftung für Zeitgeschichte fördert das Projekt durch einen Sachkostenzuschuss.

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