„Wir haben alles verloren und mussten ganz neu anfangen“
Das zentrale Seminar des Programms ERINNERN:AT beschäftigte sich an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mit den Erfahrungen der Überlebenden nach der Befreiung. Marc Baumgart von der Baumgart-Stiftung fügte in einem Rundgang durch den SS-Bereich des Lagers und die ehemalige SS-Siedlung eine weitere historische Perspektive hinzu: Wie schilderten Täterfamilien die Befreiung – und wie wirken diese Überlieferungen bis heute nach?
Der ehemalige SS-Bereich des Konzentrationslagers Mauthausen (Foto: Mauthausen Memorial/Markus Hechenberger)
Das Zentrale Seminar des OeAD-Programms ERINNERN:AT ist die größte österreichische Fortbildungsveranstaltung für Lehrer*innen zu Nationalsozialismus, Holocaust und Antisemitismus und fand dieses Jahr an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen statt. Der thematische Schwerpunkt lag auf der Befreiung im Mai 1945 aus der Perspektive der Häftlinge: Wie erlebten Überlebende den Moment des Kriegsendes? Welche Wege eröffneten sich für sie danach – und welche Rolle spielten sie in der späteren Erinnerungsarbeit?
In diesem Rahmen bot Marc Baumgart, Vorstand der Baumgart-Stiftung für Zeitgeschichte, einen Rundgang an, der eine weitere Perspektive einbrachte. Unter dem Titel „Wir haben alles verloren und mussten ganz neu anfangen“ – Die Befreiung aus der Sicht von Täterfamilien thematisierte er die Situation jener zwanzig Familien, die in der SS-Siedlung in unmittelbarer Nachbarschaft des Lagers lebten. Dazu gehörten auch die Großeltern von Marc Baumgart.
Während für die überlebenden Häftlinge die Befreiung das Ende von Entrechtung, Gewalt und Mord bedeutete, erlebten diese Familien am gleichen Ort den Zusammenbruch einer privilegierten Lebenswirklichkeit, oftmals nach Jahren eines wahrgenommenen gesellschaftlichen Aufstiegs.
(Foto: Mauthausen Memorial/Markus Hechenberger)
Der Rundgang, an dem auch der stellvertretende deutsche Botschafter in Österreich, Dr. Klaus Vietze teilnahm, führte durch den SS-Bereich des Lagers und die ehemalige SS-Siedlung. Er verband historische Einordnung mit Ergebnissen des wissenschaftlichen Forschungsprojekts, das Marc Baumgart seit 2015 durchführt.
Rundgang durch die ehemalige SS-Siedlung des Konzentrationslagers Mauthausen (Foto: Mauthausen Memorial/Markus Hechenberger)
Dabei zeigte sich, dass die unmittelbar nach Kriegsende konstruierten Entlastungsnarrative – etwa im Zuge von Gerichtsverfahren oder der „Entnazifizierung“ – in vielen Fällen bis heute Basis der Familienüberlieferungen sind.
Viele Teilnehmende zeigten sich überrascht über die Einschätzung, dass heute mehr als eine Million Nachkommen des SS-Personals der Konzentrationslager leben und bisher nur wenige ihre Familienüberlieferungen hinterfragen. Dies führte zur offenen Frage, wie Bildungsarbeit – insbesondere an Erinnerungsorten – auch Menschen ansprechen kann, die familiäre Bezüge zur Täterschaft haben.
Die Baumgart-Stiftung für Zeitgeschichte steht Nachfahren von Angehörigen des KZ-Personals gerne für einen vertraulichen Erfahrungsaustausch zur Verfügung
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